Die Stadt ist ein „Markt“ unterschiedlichster Angebote, Gelegenheiten und Verwirklichungen vergangener und aktueller Möglichkeiten, der den (Alltags-) Lebensweisen und -handlungen seiner Nutzer und Bewohner Raum und Umsetzungsmöglichkeiten gibt. Eine sozialräumliche Zugangsweise zum Stadtgeschehen arbeitet hierbei bewusst mit ausschnitt-bildender Perspektivität, um trotz der schieren Informationsfülle wirklichkeitsnah und prototypisch Situationen zu beschreiben, z.B. mittels Fallstudien. Eindrücke und Gebrauchsgewohnheiten der verschiedenen relevanten Nutzergruppen werden erfasst.
Abb. 35: Was wird wahrgenommen – von wem? Wie setzt sich die Bevölkerung (Stadtpopulation) zusammen; welche sozialen Gruppierungen wohnen wo? Wie erleben Kinder die urbane Umwelt (siehe in www.mehr-freiraum-fuer-kinder.de / Stand 08.06.2017)? Welche Bedürfnisse und Lebensweisen gibt es? Welche Räume und Nutzungen sind präsent und prägend, welche stehen im Alltag im Vordergrund? Welche Bedeutung haben sie für die Bewohner und Stadtbesucher? Wo sind geschichtsträchtige und identitätsstiftende Orte? Durch die erarbeiteten Antworten ergeben sich bildartige Verdichtungen und gefühlsbezogene Vorstellungen einer Stadt, ebenso zeigen sich „blinde, weisse Flächen“ und Strukturlosigkeit für andere Teile der Stadt. Die Gliederung der Stadt in wahrgenommene, alltägliche und weniger gewichtige Räume wird über simulierende Verfahren, in Gesprächen mit Bewohnern und anderen Methoden ermittelt. Die Verwendung von örtlichen literarischen Beschreibungen (z.B. von Uwe Johnson8; siehe dazu Abb. „Mecklenburgstrasse“ von Schwerin in Deutschland) kann mittels poetischer Spurensuche und Zuspitzungen charakteristische Wesenszüge erfassen. Solch qualitative, charakterisierende Beschreibungen können als eine Art Beschreibung von „Stadtgefühlen“ verstanden werden. |
Ein Ziel dabei ist es, einprägsame Züge herausarbeiten, die das individuelle Stadterleben hin auf allgemeine „begriffliche Formeln und Bilder“ bringen und den Stadtcharakter präziser begreifen lassen.
Andere präzisere Erhebungsmethoden und Datenanalysen untermauern mit statistischen Erhebungen und Auswertungen, stadtbeschreibenden Kennziffern (betreffend Tourismus, Bildung, Freizeit und Kultur) und Planungsdaten (Einwohner- und Einkommensstatistiken, Wirtschaftsdaten, Verkehrszählungen usw.) die untersuchten Stadtthemen und -nutzungsarten. Die Stadtfunktionen Verkehr, Handel, Produktion, Kultur und Bildung, Freizeit, Gesundheit, Sozialfürsorge, Sicherheit (Feuer, Umwelt, Kriminalität), Ver- und Entsorgung bilden zusammen mit den verschiedensten Wohnfunktionsarten ein enges Geflecht, welches den Menschen in der Stadt individuelle und vielfältige Lebensweisen in einer grossen Dichte wählbar macht und ermöglicht. All diese Versorgungs- und zugehörigen Qualitätserfüllungsstandards sind Fragen der Daseinsvorsorge und deren Entwicklung und Anpassung an die sich immer wieder veränderten Lebensverhältnisse. Defizite werden benannt und wirtschaftliche Ziele auf ihre stadtplanerischen Folgen hin untersucht. Grundlage hierfür sind zudem die Investitionsvorhaben der einzelnen Wirtschaftssektoren in einer Stadt, aber auch die ökologischen und ökonomischen Potenziale und Begrenzungen. Ein planerisches Ergebnis hiervon – gestaltet durch Politik, Fachwissen, Interessensauseinandersetzungen und deren gegenseitiger Abwägung – ist innerhalb einer deutschen Kommune der „Flächennutzungsplan“ (siehe Hansestadt Lübeck – https://bekanntmachungen.luebeck.de/dokumente/d/1108/inline https://bekanntmachungen.luebeck.de/dokumente/d/1133/inline); in der Ukraine z.B. steht dafür der „Generalbebauungsplan“ (siehe Chernivtsi-Website https://city.cv.ua/mt/pro-misto/generalnii-plan-ta-zonuvannia-5(ab 08.06.2023 sind die Informationen unter dem Link aufgrund von militärischen Operationen nicht verfügbar)), der darüber hinaus jedoch auch Bebauungsweisen etc. mit beinhaltet (siehe Dzhaman, Vasyl / Koliadynskyy, Pavlo: Big Towns; 2015).
In den letzten Jahren haben sich durch die Entwicklung der Datentechnik (z.B. „Big Data“) neue Erfassungsmöglichkeiten ergeben, die der Erfassung, Dateninterpretation und Beschreibung der Stadtnutzungen neue Möglichkeiten erschliessen (siehe Thema: „Virtuelle Stadt“ in der Zeitschrift Bauwelt Nr. 24 / 2011; z. B. die folgenden Abbildungen). Sogar Realzeit-Abbildungen von urbanen Geschehnissen (z.B. Verkehrsaufkommen, Kriminalitätsschwerpunkte) können auf diese Weise erbracht und vermittelt werden. Dies wird zu neuen, und auch differenzierteren Analyse-Ergebnissen führen und auch die planerischen und steuernden Einwirkungsmöglichkeiten beim Stadt-Management und bei der Stadtentwicklungsplanung zukünftig verändern und erweitern.
Auch das Computerspiel SIMCity erbringt ganz „lehrreiche Erfahrungen“ beim „Planen einer Stadt“ über Zusammenhänge, Folgen, Konsequenzen beim Zusammen“spiel“ verschiedenen Stadtthemen.
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8: Johnson, Uwe: Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl [Roman]; Frankfurt / Main 1988, S. 1673