4.1.1 Erkunden und Beobachten

Um persönlich und fachlich nachzuvollziehen, was den Begriff „Stadtraum“ umfasst, ist es sinnvoll, wenn man selbst diese urban-bebaute Umwelt beobachtet und untersucht. Der Begriff Umwelt meint „Alles“ das, was um etwas ‒ ein Objekt oder Person ‒ herum vorhanden ist. Das urbane „Alles“ kann man jedoch nicht analysieren, dh. erfassen und dokumentieren. „Alles“ beinhaltet nämlich nicht nur alles, was vor Ort vorhanden, sichtbar, aufzählbar usw. ist, sondern auch „alles Unsichtbare“ wie Geräusche, Gerüche, Atmosphäre, Stimmungen usw.. Alltäglichkeiten und die Geschichte haben in der Umwelt Spuren hinterlassen und sichtbare Verweise, die uns auf das – zunächst – Unsichtbare aufmerksam machen: Die Vergangenheit eines Ortes (z.B. ein vorhandener alter Baum) und was von ihm geblieben ist ‒ aber auch schon Erahnbar-Zukünftiges (z.B. der kommende, schon sichtbare Reparaturbedarf eines defekten Daches). Dh. mit dem Ort verbunden ist die Dimension „Zeit“: die Geschichte ‒ die Gegenwart, und die Zukunft eines Ortes.

„Alles“ meint auch ‒ da die betrachtete Umwelt in unserem Berufsfeld meist eine von Menschen bewohnter und benutzter Ort ist ‒ die dortigen Menschen und ihre Aktivitäten, mit ihren Vorlieben (beim Gärtnern im Vorgarten oder ihrem bevorzugten Autotyp oder ihre Wohnweise) ‒ ja vielleicht auch einige ihrer Gedanken und Gefühle. Lebensgewohnheiten, -möglichkeiten und -notwendigkeiten (wie Schutzbedarf oder Ausschmückungslust) lassen sich ablesen an der Art, wie ein Bewohner, eine Gruppe oder Familie die Umwelt ‒ die bauliche wie die natürliche ‒ nutzen, herrichten und gestalten für ihr Privatleben. Und diese Gebrauchsweisen können als Zeichen gelesen werden, wie man von den anderen gesehen werden möchte.

Auch Ablehnung und Ängste finden wir „materialisiert“ in einer Umgebung, wo Menschen wohnen und arbeiten, z.B. Plakate gegen eine neu-geplante grosse Verkehrsstrasse oder Schnellbahntrasse oder schützende, gebaute Mauern und Stacheldraht. Ebenso zeigen sich Anonymität oder prekäre Lebensumstände möglicherweise in der Verwahrlosung von Grundstücken, an schmutzigen Strassen, an mehrfach überklebten Klingelschildern oder in der Art, wie Menschen den öffentlichen Raum benutzen oder gar zerstören (Vandalismus). Bauten und öffentliche wie auch private Stadträume bilden die Kulissen, ermöglichen durch ihre Benutzbarkeit alle diese Handlungen und Aktivitäten. Sie geben Raum und sind Bühne für Wohnen, Arbeiten und Freizeit ‒ jedoch auch für Umweltzerstörungen oder politische Manifestationen.